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Berufseinstieg bei den Big Four - ein Erfahrungsbericht

Autor:
Dominik
Stand:
8.1.2021

Jährlich steigen mehrere hundert Absolventen bzw. Berufseinsteiger bei den sogenannten Big Four ein. Wie der Berufseinstieg dort aussieht und wie der Onboarding-Prozess am konkreten Beispiel von EY (Ernst & Young) aussieht, erfährst Du in unserem umfangreichen Report.

Wer sind die Big Four?

Der Begriff steht für die vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften weltweit: Deloitte, EY (Ernst & Young), KPMG sowie PricewaterhouseCoopers (PwC). Die Big Four vereinnahmen knapp 70% des weltweiten Umsatzvolumens im Bereich der Wirtschaftsprüfung und drängen zudem immer weiter in klassische Bereiche der Unternehmensberatung vor.

Big 4 im Überblick
Die Big Four: Ernst & Young (EY), KPMG, Deloitte und PricewaterhouseCoopers (PwC)

Gemessen an den aktuellen DAX Mandaten sind KPMG und PwC in Deutschland führend. In der Beratung liegt hingegen EY vorn. Deloitte ist in Deutschland noch hinter den drei Konkurrenten, erzielt jedoch regelmäßig die höchsten Wachstumsraten.

Durch ihren internationalen Stand und die umfangreichen Mandate in etlichen Konzernen genießen die Wirtschaftsprüfer in Deutschland einen exzellenten Ruf und sind für viele Absolventen ein Wunscharbeitgeber. Bedingt durch ihre Größe in Deutschland (KPMG mit 10.700 Mitarbeitern, PwC mit etwa 10.600 Mitarbeitern, EY mit etwa 10.000 und Deloitte mit knapp 8.000 Beschäftigten) stellen die Big Four jährlich auch etliche Berufseinsteiger mit unterschiedlichsten Profilen ein.

Welche Tätigkeitsbereiche gibt es?

Der Haupttätigkeitsbereich der Big Four liegt nach wie vor in der Jahresabschlussprüfung und aller damit verbundenen Tätigkeiten. Da die Mandate in der Wirtschaftsprüfung jedoch endlich und die Wachstumsraten hier dementsprechend begrenzt sind, erbringen die Prüfer auch weitere Dienstleistungen, die immer mehr Anteil am Gesamtumsatz erzielen und zweistellige Wachstumsraten erzielen:

  • Steuerberatung
  • Rechtsberatung
  • Unternehmensberatung
  • Transaktionsberatung (M&A)

Durch die diversen Tätigkeitsbereiche sind die Anforderungsprofile an Bewerber sehr unterschiedlich. Wer denkt, dass hier nur Absolventen wirtschafts- und rechtswissenschaftlicher Fächer eingestellt werden, liegt weit daneben.


Auch immer mehr Naturwissenschaftler und Ingenieure steigen bei den Big Four ein


Insbesondere im Bereich der Unternehmens- und Transaktionsberatung werden zunehmend Informatiker und Naturwissenschaftler eingestellt, um Prozessanalysen auch auf Datenebene umfassend lösen zu können. Die Big Four dringen zunehmend in Felder der Artificial Intelligence (AI) und des Design Thinkings vor, aus denen sich neue Projekte ableiten lassen.

Der Bewerbungsprozess bei Ernst & Young


Um einen detaillierten Einblick über den Einstieg bei den Big Four geben zu können, haben wir einen Consultant bei EY darum gebeten, von seinem Bewerbungsprozess bis hin zum Onboarding und den darauf folgenden Projekten zu berichten.


  • Der Bewerbungsprozess startet wie üblich mit der Bewerbung über das Onlineportal von EY. Danach heißt es erst einmal: warten. Je nachdem, wann ihr euch bewerbt, kann es bis zu drei Wochen dauern, bevor ihr eine Rückmeldung erhaltet.
  • Wurde die Bewerbung erfolgreich geprüft und es kommt eine positive Rückmeldung, erhält man eine Einladung zum Online-Test. Das Ganze ist ein typisches Online-Assessmentcenter und enthält Fragestellungen im Bereich Logik, Mathematik und Leseverständnis. Grundsätzlich gilt hier: es wird getestet, wie man unter Zeitdruck arbeitet. Wichtig ist nicht, dass 100% geschafft werden, jedoch sollten die abgegebenen Lösungen gut durchdacht sein.
  • Nach dem erfolgreichen Bestehen des Online-Tests folgt relativ zügig (meist binnen einer Woche) die Einladung zum persönlichen Gespräch. Hier ist dann ein Mitarbeiter aus dem Bereich HR sowie zwei Mitarbeiter aus dem gewünschten Bereich dabei (häufig auf Manager, Senior Manager oder Director Ebene). Kann man im Gespräch auch überzeugen, folgt das Vertragsangebot.

Anmerkung: Je nachdem, auf welche Stelle man sich bewirbt und in welchem Bereich diese angesiedelt ist, kommt es nach dem ersten Vorstellungsgespräch noch zu einem weiteren, bei dem der entsprechende Partner anwesend ist.

Tipp: Im Vorstellungsgespräch werden häufig Fachfragen gestellt (bspw. Unterscheidung HGB/IFRS, typische Unternehmenskennzahlen von EY-Mandaten, je nach Bereich weitere). Ihr solltet euch gelassen und sicher zeigen, auch wenn ihr nicht alle Fragen beantworten könnt. Wichtig ist nicht, dass man auf Anhieb alle Fragen beantworten kann, sondern souverän in seinem Auftreten bleibt.

Der Onboarding-Prozess und erste Arbeitstag

Mit der Einstellung bei EY geht der Onboarding-Prozess einher, der sehr umfassend ist. Direkt nach Unterzeichnung des Arbeitsvertrags erhaltet ihr eine Checkliste mit Unterlagen, die EY bis zu eurem tatsächlichen Anfang benötigt - i.d.R. handelt es sich hier um die typischen Dokumente wie das Führungszeugnis, eine Kopie des Hochschulabschlusses, Krankenversicherungsnachweise und so weiter.


Bei EY und auch allen anderen Big Four ist der erste Arbeitstag etwas untypisch geregelt. Während ihr in vielen Firmen direkt eurem Team und dem dazugehörigen Bereich vorgestellt werdet, finden hier erst sogenannte Onboarding-Tage (die sogenannten Welcome-Days) statt, in denen alle Neueinsteiger mit der IT, dem Organigramm, Ansprechpartnern und auch der Unternehmensphilosophie vertraut gemacht werden. Allerdings werden auch erste Case Studys und Aufgaben in kleineren Teams gelöst und präsentiert, um ein gegenseitiges Kennenlernen zu vereinfachen. Hier sollte man sich aktiv einbringen, um einen maximalen Output für sich mitzunehmen.


Diese Tage sind sehr wertvoll, da ihr direkt Kontakte zu anderen Bereichen (bei EY sogenannte "Service Lines" bzw. "Sub Service Lines") knüpfen könnt. Häufig hat man zu diesen Kontakten auch Jahre später noch Kontakt, was bei Fragen sehr hilfreich ist.


Nach den Onboarding-Tagen ist es bereichsabhängig, wie die weiteren Tage gestaltet sind. In unserem konkreten Fall handelt es sich um die Service Line Advisory, bei der ihr meist direkt ins kalte Wasser geschmissen werdet. Konkret bedeutet das, dass ihr bereits direkt am darauffolgenden Tag beim Mandanten vor Ort mitarbeitet. Um Zug- bzw. Flugbuchungen und das dazugehörige Hotel kümmert sich für den ersten Einsatz meist die Assistenz des Partners. Für folgende Einsätze erhaltet ihr binnen weniger Tage eure Firmenkreditkarte.

Erster Projekteinsatz und eure Aufgaben

Der nächste Tag wird etwas stressiger. Man arbeitet direkt beim Kunden vor Ort und muss sich hier zurechtfinden. Je nach Organisation und Bereich begleitet euch euer sogenannter "Buddy" direkt zum Arbeitsplatz. Der Buddy steht euch während eurer gesamten EY-Zeit für alle Fragen zur Verfügung, die ihr nicht direkt an euren Vorgesetzten stellen wollt.


Am Arbeitsplatz angekommen lernt man in kürzester Zeit etliche Kollegen kennen, die am selben Projekt mitwirken. Orientieren sollte man sich hier an den Senior Managern, da diese die Aufgabenverteilung übernehmen und eure direkten Vorgesetzten sind. Projektabhängig sind die ersten Tätigkeiten bei EY häufig einfachste Excel- und PowerPoint-Tätigkeiten. Macht man seine Sache gut, erhält man sehr schnell verantwortungsvollere und umfangreichere Aufgaben. Vereinzelnd führt man auch Calls (Telefonkonferenzen mit dem Kunden) und beantwortet Fragen. Hier liegt es an jedem selbst, sich aktiv mit einzubringen.


Wissenswert: Wenn die eigene Service Line keine Projekte hat, wird man an andere Unternehmensbereiche (TAS, Audit und Tax) ausgeliehen, um zu vermeiden, dass jemand nichts zutun hat. Hierbei kann schnell Frust aufkommen, da die Tätigkeiten ganz anders sind, als im Vorstellungsgespräch suggeriert.

Gehalt und Karriereperspektive bei den Big Four

Das Gehalt

Für Absolventen liegt das Einstiegsgehalt bei durchschnittlich 45.000€ im ersten Jahr, unabhängig von der Abschlussart (Bachelor oder Master). Hinzu kommt ein variabler Bonus (~10-12% des Jahresgehalts), der abhängig von persönlichen Feedbacks und der Unternehmensleistung ist. Das heißt, man liegt gesamt bei knapp 50.000€ im ersten Berufsjahr.

Die Karriereperspektive

Bei den Big Four herrscht eine hohe Fluktuation und eine geringe durchschnittliche Zugehörigkeit zum Unternehmen (2-3 Jahre). Das begründet sich in der Tatsache, dass viele Aussteiger merken, nicht für das Consulting-Business und die damit einhergehende Reisetätigkeit geschaffen zu sein. Außerdem wechseln jährlich viele Mitarbeiter zum Mandanten, sie werden also abgeworben. Auch unter den Big Four selbst wird sehr rege gewechselt. Das bedeutet für einen Berufseinsteiger aber auch, dass man schnell aufsteigen kann. Hierzu muss man jedoch die verschiedenen Ranks der Stellen kennen.

Die Ranks bei EY

Im Folgenden liefern wir einen Überblick zu den verschiedenen Ranks der einzelnen Stellen. Die Beförderung (bei den Big Four als "Promotion" bezeichnet) erfolgt immer innerhalb eines Jahres (bspw. vom Rank C1 zu C2).

  • Consultant - C1, C2, C3
  • Senior Consultant - SC1, SC2
  • Manager - unterschiedlich
  • Senior Manager - unterschiedlich
  • Director - unterschiedlich
  • Executive Director - unterschiedlich
  • Partner - unterschiedlich

Während man in den unteren Rängen sehr einfach aufsteigen kann und die Promotion quasi automatisch erfolgt, wird die Beförderung ab der Manager-Position zunehmend schwerer. Der Rank des Managers geht bei den Big Four automatisch mit der Prokura einher.


Berufseinsteiger bzw. Absolventen steigen typischerweise mit C1 ein. Kann man relevante, umfangreiche Berufserfahrung vorweisen, ist auch der Einstieg als C2 bzw. in seltenen Fällen als C3 möglich.


Bringt man außerordentlich gute Leistung und Engagement, gibt es auch sogenannte Sprungbeförderungen. Das heißt, man springt direkt von C1 zu C3.

Fazit - der Berufseinstieg bei den Big Four

Der Berufseinstieg bei den Big Four fordert einem Absolventen sehr viel ab. Insbesondere in der Anfangszeit sind viele Überstunden die Regel, sodass das Privatleben darunter häufig leidet. Nichtsdestotrotz ist die Lernkurve steil und die Karriereperspektive angesichts des rasanten Wachstums der Beraterbranche exzellent. Zudem bieten alle vier Unternehmen ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, im Ausland und damit an internationalen Projekten mitzuarbeiten.


Wer mit einem Bachelor einsteigt, kann auch den Master berufsbegleitend absolvieren und diverse Berufsexamina (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, CFA u.a.) ablegen. Sämtliche Examen werden durch Freistellungen und finanzielle Zuwendungen subventioniert.


Wer eine Bewerbung bei den Big Four plant, sollte unbedingt analytische und kommunikative Skills mitbringen. Außerdem ist eine hohe Belastbarkeit wichtig. Wer diese Fähigkeiten besitzt, ist für einen Einstieg in der Consulting Branche bestens vorbereitet.

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